Konnotativ erzeugte Genderstereotype in digitalen Medien

Gefördert im Rahmen der Ausschreibung „Geistes- und Kulturwissenschaften – digital“ der Volkswagenstiftung und des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur

(Sprecherin Prof. Dr. Gabriele Diewald, LUH)

Geschlechtergerechter Sprachgebrauch wird häufig mit Bezug Personenbezeichnungen erforscht, doch kann eine umfassende linguistische Analyse nicht darauf beschränkt werden, sondern muss kontextuelle Faktoren miteinbeziehen. Dementsprechend untersucht das Projekt die indirekte sprachliche Evozierung von Genderstereotypen in digitalen Medien. Es gliedert sich in die zwei Teilprojekte Linguistik (Prof. Dr. Gabriele Diewald, Leibniz Universität Hannover) und Psycholinguistik (Prof. Dr. Dr. h.c. Martin Ptok, Medizinische Hochschule Hannover). 

Mit indirekter sprachlicher Evozierung sind Vertextungsstrategien gemeint, die Genderstereotype nicht direkt benennen, sondern durch die Kombination von im Text ausgedrückten und nicht ausgedrückten, d.h. konnotierten Merkmalen distributiv erzeugen. So wird im heutigen Sprachgebrauch zum Beispiel durch ein Nomen wie Pannendienst im entsprechenden Kontext (z.B. Der Pannendienst kam dem liegengebliebenen Reisebus zu Hilfe) mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Konnotation wie ‚Tätigkeit, die von Mann ausgeführt wird‘ aktiviert, und damit bezüglich der handelnden Person ein Genderstereotyp aufgerufen und bekräftigt. Auch Adjektive, wie z.B.  verständnisvoll gegenüber tatkräftig sind in Bezug auf Genderstereotype konnotiert, wie durch Forschungen aus der Psychologie und Psycholinguistik belegt ist. Im Projekt wird eine Auswahl derartiger Adjektive als Triggerelemente zur indirekten Evozierung von Genderstereotypen untersucht und in ihrer Wirkung quantitativ und qualitativ überprüft. 

Anders als explizit im Text benannte Konzepte werden indirekt erzeugte Bedeutungsstrukturen oft nicht bewusst wahrgenommen und können, selbst wenn sie wahrgenommen werden, weder zurückgewiesen noch kritisiert werden, genau aus dem Grund, weil sie nicht explizit versprachlicht sind. Dennoch wirken sich implizite Bedeutungen massiv auf die Interpretation eines Textes aus. Bezogen auf die Frage der Geschlechtergerechtigkeit von Texten müssen daher neben direkten Benennungen auch die indirekt aufgerufenen Genderstereotype erfasst werden. Der Einfluss indirekt transportierter Genderkonzepte für die Realisierung von geschlechtergerechter bzw. nicht-diskriminierender Sprache durch kontextuell evozierte Triggereffekte bestimmter sprachlicher Strukturen wird im Projekt qualitativ analysiert, experimentell überprüft und quantitativ in großen Textkorpora untersucht.

Projektteam

Linguistik:
Prof. Dr. Gabriele Diewald
Christine Ivanov (wissenschaftliche Mitarbeiterin)
Stephanie Lieboldt (wissenschaftliche Mitarbeiterin)
Katja Politt (wissenschaftliche Mitarbeiterin)

Psycholinguistik:
Prof. Dr. Dr. h.c. Martin Ptock
Tabea Tiemeyer (wissenschaftliche Mitarbeiterin)

Projektkoordination:
Dr. Maria Lange